Was haben mexikanische Hochlandkärpflinge und kongolesische Bonobo-Waisen gemeinsam? Beide Arten sind in ihrem natürlichen Lebensraum gefährdet oder nahezu ausgerottet und werden im Rahmen von Hilfsprogrammen vor Ort geschützt oder wiederangesiedelt – mit Hilfe der Wilhelma in Stuttgart.
Eine Erfolgsstory ist die Auswilderung von Bonobos im Kongo. In der Auffangstation Lola ya Bonobo werden Bonobo-Jungtiere, die aus den Fängen von Wildtierhändlern gerettet wurden, wieder aufgepäppelt und anschließend ganz behutsam der menschlichen Obhut entwöhnt. Vor einem Jahr konnten nach dieser jahrelangen Vorbereitung 14 Bonobos in das Wildtierreservat „Ekolo ya Bonobo“ entlassen werden, im Oktober kam noch ein Männchen hinzu. „Den Tieren geht es prima“, berichtet Dominique Morel von der Organisation Les Amis des Bonobos de Congo, die gerade aus der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika zurückgekehrt ist. Die ausgewilderten Bonobos versorgten sich selbst und zeigten ein absolut natürliches Sozialverhalten: Es haben sich Untergruppen gebildet, einzelne Tiere haben sich der ersten Gruppe, die 2009 ausgewildert wurde, angeschlossen, Nachwuchs wurde geboren. Der zoologisch- botanische Garten in Stuttgart unterstützt die Arbeit der Auffangstation jährlich mit 10.000 Euro – finanziert durch den Artenschutz-Euro, der in jeder (Erwachsenen)-Eintrittskarte enthalten ist. „Insgesamt unterstützt die Wilhelma Artenschutz-Projekte mit 700.000 Euro pro Jahr“, sagt Stefanie Reska, Leiterin der Stabsstelle Artenschutz und Umweltbildung.
Doch eine Auswilderung kann nur funktionieren, wenn es den natürlichen Lebensraum noch gibt. Wenn dieser durch Abholzung, Umweltverschmutzung oder den Klimawandel massiv bedroht oder bereits zerstört ist, ist auch eine Wiederansiedlung zum Scheitern verurteilt. „Der sinnvollste Ansatz zum Artenschutz ist heute der Habitatschutz“, betont Stefanie Reska. So hat die Wilhelma beispielsweise die Renaturierung des Quellgebiets des mexikanischen Rio Teuchtitlan gefördert, der Lebensraum des Frances-Hochlandkärpflings. Der etwa fünf Zentimeter lange Süßwasserfisch galt seit 1996 als ausgestorben. Die Art überlebte lediglich in Aquarien. 2017 wurden 40 Jungfische aus der privaten Zucht eines ehemaligen Wilhelma-Mitarbeiters und zehn aus dem Haus des Meeres in Wien nach Mexiko geschickt. Aus der Nachzucht konnten 1.200 Kärpflinge im November 2022 im Rio Teuchtitlan ausgesetzt werden.
Durch Nachzuchten seltener und vom Aussterben bedrohter Tierarten sowohl im Zoo selbst als auch an der Beteiligung an Auswilderungsprojekten in den ursprünglichen Lebensräumen leisten Zoos wertvolle Arbeit. Einige Tierarten wären ohne die Zoo-Populationen längst von der Erdoberfläche verschwunden. So ist es beispielsweise gelungen, durch Auswilderung wieder stabile Bestände der Arabischen Oryx-Antilope, des Przewalskipferdes und des Wisents in der Wildnis aufzubauen – mit Tieren, die in Zoos geboren wurden, und deren Nachkommen.
Seit 1992 gibt es die EAZA Ex-Situ-Programme (EEP) der Europäischen Zoovereinigung (EAZA) für bedrohte Tierarten. Ziel ist es, durch gezielte Paarungen eine hohe genetische Vielfalt und gesunde Tiere zu erhalten, die gegebenenfalls ausgewildert werden können. Die Wilhelma beteiligt sich an über 50 EEP, zum Beispiel für Gorillas, Okapis und Säbelantilopen. Dabei geht es nicht nur um Exoten: Auch die Vorfahren so mancher Steinböcke, Moorenten und Gänsegeier, die heute frei und wild leben, wurden in der Wilhelma geboren.
„Artenschutz und der Aufbau von Reservepopulationen ist eine wichtige Aufgabe von Zoos“, sagt Wilhelma- Direktor Dr. Thomas Kölpin. „Doch vor einer Auswilderung müssen die optimalen Lebensbedingungen geschaffen werden.“ Dazu gehört auch eine Bewusstseinsbildung vor Ort. Die von der Wilhelma unterstützte Bonobo-Auffangstation Lola ya Bonobo betreibt Überzeugungsarbeit in den Dörfern rund um das Reservat: Nicht im illegalen Bushmeat-Handel liegt die Zukunft, sondern im Schutz der Bonobos, deren Erbgut zu 98,7 Prozent mit dem des Menschen übereinstimmt.