Eine Pflanzenschau mit natürlichem Soundtrack bietet die Fuchsiensammlung der Wilhelma in Stuttgart zurzeit. Denn wer die prachtvolle Präsentation betritt, schaut nicht nur in ein Kaleidoskop unzähliger Blüten, sondern vernimmt zudem ein sachtes Surren und Summen. Diese Live-Musik steuern fast unsichtbare Gäste bei: Was den Besucherinnen und Besuchern des Zoologisch-Botanischen Gartens einen Augenschmaus bietet, ist für Bienen und Hummeln ein wahres Festmahl mit vielen Gängen. Was die kleinen Kostgänger verrät: Im zarten Sommerhauch, der durch die geöffneten Gewächshausluken weht, schwingen die Blütenkelche der überreich behängten Fuchsien nur sanft. Schaukeln die glockenartigen Blüten dagegen deutlich hin und her, machen sich gerade emsige Insekten daran – oder darin – zu schaffen. Wer genau horcht und hinschaut, entdeckt die fliegenden und krabbelnden fast Pollensammler überall.
Für Flora und Fauna ist das eine Win-Win-Situation: Die Insekten tanken Nahrung und bestäuben dabei die Blüten. Hierfür stellt die Fuchsienschau ein Schlaraffenland dar. Das Wechselschauhaus ist aktuell von Kopf bis Fuß auf diese besonders blütenreiche Gattung aus der Familie der Nachtkerzengewächse eingestellt. Ob als bodennaher Busch, als eleganter Hochstamm oder als üppige Ampel hängend: Nicht weniger als 550 Pflanzen aus 230 Arten und Sorten buhlen zugleich um die Aufmerksamkeit von Mensch und Insekt. In der Natur sind Fuchsien vom Blütenaufbau wie geschaffen für eine Bestäubung und Verbreitung durch kleine Vögel: Rote Signalfarbe, wenig Duft, aber viel Nektar in langen Röhren locken in Mittel- und Südamerika zum Beispiel Kolibris an. In Europa übernehmen die Rolle gerne Insekten.
Während Biene, Hummel & Co. nach einer Stippvisite schnell wieder abschwirren, beschäftigen sich Züchter seit dem 19. Jahrhundert ausdauernd mit neuen Kreationen. Fuchsien lassen sich recht gut kreuzen, so dass ihnen immer neue Nuancen des Farbcocktails oder der filigranen Gestalt zu entlocken sind. Als Zier für Garten und Balkon sehr populär, sind mittlerweile mehr als 12.000 Züchtungen bekannt. Bis September kann man in der Wilhelma eine vielseitige Auswahl davon entdecken.
Von zwei jüngeren Sorten (beide 1988 in den USA registriert) betört zum Beispiel „Deep Purple“ bei strahlend weißen Kelchblättern mit sattem Lila der Kronblätter. Bei „Bella Rozella“ zeichnet die an Balletttänzerinnen erinnernden Blüten ein besonders dicker „Rüschrock“ in Rosé aus. Eher trompetenhaft kommt dagegen „Hinnerike“ (1984, Deutschland) daher: mit längerem roten Kelch und kurzen orangefarbenen Blütenblätter. Zu den älteren Züchtungen zählt „Autumnale“ (1880, Frankreich), deren Blätter dauerhaft eine herbstlich erscheinende Färbung aufweisen.
Um die Herkunft der heutigen Vielfalt zu veranschaulichen, enthält die Schau auch Wildformen. Bei der Fuchsia paniculata Lindley aus Zentralamerika und der Fuchsia michoacanensis aus Mexiko etwa wirken die Blüten im Vergleich wie eine Miniatur. Bei ähnlicher Form, aber winziger Größe wachsen die Blüten hier noch gerade aus den Zweigen, statt auf die bei heutigen Züchtungen typische Weise zu hängen. Ursprünglich hat der französische Botaniker Charles Plumier die erste Art Ende des 17. Jahrhunderts auf der Karibikinsel Hispaniola gefunden und nach dem Tübinger Ahnvater der Pflanzenkunde Leonhart Fuchs benannt. Die meisten Wildarten sind in Bergwäldern Mittel- und Südamerikas heimisch.