Toben, schlafen, trinken – das sind im Moment die wichtigsten Dinge im jungen Leben des kleinen Somali-Wildesels der Wilhelma. Knapp drei Wochen alt ist der kleine Hengst, der im Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart behütet und umsorgt heranwachsen kann. Für den Erhalt seiner Art ist der Jungspund ein echter Schatz, denn der Somali-Wildesel gehört zu den am stärksten bedrohten Säugetieren weltweit.
Diese letzte überlebende Unterart des Afrikanischen Wildesels besiedelte ursprünglich weite Teile Ostafrikas, heute beschränkt sich das Verbreitungsgebiet nur noch auf die Savannen und Halbwüsten Somalias, Eritreas und Äthiopiens. Trockene Gräser, dornige Büsche und steinige Hänge prägen den Lebensraum der genügsamen Esel, die sogar einige Tage ohne Wasser auskommen können. Ihre größte Bedrohung ist – wie so oft – der Mensch: Die Wildesel werden für ihr Fleisch gejagt und müssen mit den Nutztieren der Bevölkerung um Wasser und Weideland konkurrieren. Der Bestand wird auf maximal 600 Tiere geschätzt, womit der Somali-Wildesel unmittelbar an der Schwelle zum Aussterben steht. Umso wichtiger ist die koordinierte Zucht in den Zoos, die für die Sicherung bedrohter Arten eng zusammenarbeiten. Um eine stabile, gesunde Population zu erhalten, gibt es für die Somali-Wildesel ein Internationales Zuchtbuch und ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm, an dem sich seit 1980 auch die Wilhelma in Stuttgart beteiligt. 200 der seltenen Esel leben in zoologischen Einrichtungen weltweit. Fast alle davon stammen über mehrere Generationen von Wildfängen ab, die in den 1970er Jahren nach Basel und Israel importiert wurden.
Der kleine Hengst, der am 16. Juli zur Welt kam und den Namen Robert erhielt, ist bereits das 14. Jungtier im Zoologisch-Botanischen Garten. Für Stute Sina war es nicht die erste Geburt, sie kümmert sich liebevoll und routiniert um ihren Sohn. Die erste Zeit durften die beiden noch im geschützten Stall und im Vorgehege verbringen, bevor es vergangene Woche zum ersten Mal auf die Außenanlage ging. „Zur Sicherheit haben wir den Wassergraben im Gehege zur Hälfte abgelassen“, berichtet Tierpfleger Jürgen Spetzler. „Wie alle unsere Fohlen ist der Kleine nämlich erstmal ins Wasserbecken geplumpst, konnte aber direkt wieder sicher stehen.“ Auch Mutter Sina behält ihr Jungtier gut im Blick und die anderen drei Stuten auf Abstand, sollten sie zu viel Interesse an dem Neuzugang zeigen. Veränderungen in der Herde sind schließlich selten, denn Herrenbesuch gibt es für die Damen nur im Frühjahr und Sommer. Wildeselhengste leben als Einzelgänger, häufig sogar in einem eigenen Territorium, das sie gegen Eindringlinge verteidigen. An der Erziehung ihrer Sprösslinge haben sie kein Interesse. Daher lebt Gigolo, der Vater des Fohlens, in der Regel auf dem Tennhof, der nicht-öffentlichen Außenstelle der Wilhelma.
Robert darf als festes Mitglied der Herde nun erst einmal in Ruhe seine Kindheit genießen und heranwachsen. „Bis zu anderthalb Jahre kann er bei uns und in der Gruppe bleiben“, erklärt Jürgen Spetzler. „Spätestens wenn er die Stuten decken möchte, müssen wir ihn natürlich trennen und an einen anderen Zoo vermitteln.“ Bis dahin ist aus dem Fohlen aber längst ein ausgewachsener Junghengst geworden, der sein eigenes Revier sicherlich zu schätzen wissen wird.